Wenn Führung krank macht

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Schlechte Führung macht krank

Viele Unternehmen sind kreativ, wenn es um Maßnahmen zur Gesund­heits­förder­ung ihrer Beschäftigten geht. Doch das allein reicht nicht. Es geht um Grundsätzliches, zum Beispiel darum, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgehen.

Unternehmen haben ein Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter arbeitsfähig bleiben. Dass sie deshalb gut daran tun, sich für die Gesunderhaltung ihrer Beschäftigten zu engagieren, hat sich bis in die Vorstandsetagen herumgesprochen. So ist, wenn Personalchefs der Wirtschaft sich treffen, viel von „BGM“ die Rede. Gemeint ist betriebliches Gesundheitsmanagement. Die Unternehmen sollen nicht irgendetwas tun oder anbieten für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, sondern die Maßnahmen und Angebote sorgfältig und systematisch angehen und verwirklichen.

Dafür bieten zahllose Berater und Experten ihre Hilfe an. „Kein Stress mit dem Stress: Instrumente und Tools für die Praxis“, „6+1 Erfolgsschritte im Betrieblichen Gesundheitsmanagement“, „Gesundheit, danke – wie BGM im Mittelstand funktioniert“ und „Burn-out-Prävention: Psychische Gesundheit fördern“. So lauteten einige Angebote im Vortragsprogramm der Messe „Zukunft Personal“ Mitte September in Köln.

Es geht nicht nur um „Tools“ und viele Kursangebote

So sinnvoll möglichst ausgefeilte „Tools“ und viele Kursangebote für Bewegung und Sport auch sein mögen. Es wächst augenscheinlich die Einsicht, dass dies alles nicht ausreicht. Es geht um Grundsätzliches, zum Beispiel darum, wie Chefs mit Mitarbeitern umgehen.

Er habe selbst in Industriebetrieben erlebt, dass Mitarbeiter nervös würden, Stress spürten, nur weil eine Führungskraft vorbeikomme, berichtete Oliver Walle, Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken. „Führungsstile und deren Konsequenzen für die Mitarbeitergesundheit“ war sein Thema. Für Walle ist es keine Frage mehr, dass es diese Konsequenzen gibt. In einer Befragung von 3 000 Mitarbeitern von zehn Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungssektor hätten 35 Prozent der Befragten angegeben, sich wenig oder gar nicht auf ihre Vorgesetzten verlassen zu können, wenn es mal Probleme gebe.

Das ist kein Ruhmesblatt für die Unternehmenskultur. Liegt es an den handelnden Personen? „Führungskräfte zeichnen sich nicht immer durch Sozialkompetenz aus. Einige haben ihre Position erlangt, weil sie einfach dran waren“, sagt Walle mit Blick auf Erfahrungen in Industrieunternehmen. Aber ist das im Gesundheitswesen völlig anders?

Führung beeinflusst Betriebsklima und Leistung

Dass Mitarbeiter sich von Führungskräften nicht ausreichend unterstützt fühlen, kann an der betrieblichen Organisation liegen. Wenn einer Führungskraft 15 bis 20 Mitarbeiter zugeordnet seien, sei dies ideal, sagte Walle. Dann könne der Vorgesetzte beispielsweise mit seinen Leuten Jahresgespräche führen. Nicht selten sind Führungskräfte aber für sehr viel mehr Mitarbeiter zuständig. Das erschwert die Kommunikation, die Mitarbeiter fühlen sich von ihrem Chef dann nicht ausreichend wahrgenommen. Probleme können selbstverständlich auch aus einer personellen Unterbesetzung resultieren, beispielsweise nach einem Personalabbau. Walle: „Die nötigen Ressourcen bereitzustellen ist Führungsaufgabe.“

Unabhängig von solchen Strukturen kann nach Überzeugung Walles der Führungsstil sich in Frustration, innerer Kündigung, Burn-out oder anderen gesundheitlichen Problemen der Mitarbeiter niederschlagen. „Führung beeinflusst das Betriebsklima, die Arbeitsmotivation, die Arbeitsleistung, die Arbeitszufriedenheit und die Gesundheit.“ Entsprechend kann ein auffällig hoher Krankenstand in einem Betrieb auch in der Führungskultur seine Ursache haben.

Autoritärer Führungsstil: schlecht für die Motivation

Ein autoritärer Führungsstil könne zwar Arbeits- und Entscheidungsprozesse beschleunigen, sei aber schlecht für die Motivation der Mitarbeiter. Ein demokratischer Führungsstil, bei dem alle mitsprechen können und Entscheidungen sehr lange diskutiert werden, sei gut für die psychische Gesundheit, verlangsame aber die Prozesse. Auch der Laissez-faire-Führungsstil, bei dem die Mitarbeiter größtmögliche Freiheit haben, bedeute für die Mitarbeiter negativen Stress, weil es keine Entscheidungen gebe und kein Feedback für den Einzelnen, sagte Walle.

Der Experte warb für einen „transformationalen Führungsstil“. Der ist nach der Managementliteratur dadurch gekennzeichnet, dass er den ganzen Menschen anspricht, Begeisterung für Werte, Ziele und Aufgaben des Unternehmens weckt und dem Einzelnen so viel Freiräume gewährt, dass dieser selbst unternehmerisch handelt. In gesundheitlichen Kategorien ist dieser Führungsstil nach Walles Worten durch weniger depressive Symptome bei den Mitarbeitern, weniger Stresserleben und weniger Burn-out-Fälle gekennzeichnet.

Ob die Gesundheitsprobleme von Beschäftigten am praktizierten Führungsstil liegen, könne in einer Mitarbeiterbefragung und in von neutralen Experten geleiteten Workshops herausgefunden werden. Wenn die Ursache erkannt ist, kann der „Aufbau einer gesunden Führungskultur“ in Angriff genommen werden. Das geht nicht, indem man einen Schalter umlegt. Führungsstile sind nicht schnell änderbar“, hob Walle hervor. Es handele sich um einen Reifeprozess, der von Führungskräftetrainings initiiert und begleitet werden müsse. Möglicherweise seien nicht alle Führungskräfte in der Lage, die Änderungen mitzumachen. Von diesen Managern müsse man sich dann gegebenenfalls trennen.

Der oberste Chef muss die Richtung vorgeben

Walle hält eine Voraussetzung dafür, dass es gelingt, eine gesunde Führungskultur zu etablieren, für unverzichtbar: Der oberste Chef muss die Richtung vorgeben. Die Geschäftsführung habe die Werte und den gewünschten Führungsstil zu vermitteln. Dabei gehe es vor allem um Maximen, ungeschriebene Verhaltensrichtlinien, die dann die Mitarbeiter im Laufe der Jahre verinnerlichten.

Heinz Stüwe

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Frank Domberg

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